Zeit ohne Familie
Nun ist es soweit, meine Frau und meine Kinder sind weit weg, sind in Kur auf Amrum. Es beginnt eine ruhige zeit, die ich mir ersehnt habe, einfach mal ruhe haben, aber jetzt wo es soweit ist, kann ich sie nicht genießen die Ruhe. Es schlägt in Angst um, Angst das es vielleicht das letzte Mal gewesen war, wo ich sie gesehen habe. Irgendwie kann ich diese Ruhe nicht genießen, es ist zu ruhig. Um mich abzulenken, werde ich den wagen reparieren, die Treppe vor dem haus verputzen, mich ablenken, aber es klappt nicht immer. Jedes Mal wenn ich im Wohnzimmer sitze, fange ich an zu denken, über die Chemotherapie und was ich machen soll, es fließen die Tränen, ich falle jedes mal in das Loch, ein unsagbares tiefes Loch. Das unendliche Loch des Denkens, aus dem man sehr schwer rauskommt. Ich fühle mich so alleine, obwohl ich das nicht bin. Letztes Jahr im Krankenhaus, ja da war ich alleine. Ich bekam zwar besuch aber dennoch war ich alleine. Mein Leben ging ich alleine, aber dieses Jahr, besser gesagt seit einem halben Jahr, war Gott an meiner Seite, nun war ich nicht mehr alleine. Seine Kinder, meine Geschwister die ich kennen lernen durften, gaben mir ein Gefühl, das ich dazu gehöre, sie nahmen mich in ihrer Mitte auf, es umgab mich eine angenehme Wärme. Ich war nicht mehr alleine, aber dennoch war ich alleine, alleine ohne meine lieben, die waren weit weg, in Amrum. Jeden Morgen begann, der Kampf mit dem aufstehen, ich musste ja nicht, ich war alleine, konnte machen was ich wollte, jeden Tag den gleichen Kampf mich ins Bett zu begeben, es war unerträglich, dazwischen machte ich die Treppe weiter, oder führte lange Gespräche mit unserem Vater. Wenn mich bei den Gesprächen einer gesehen hätte, der hätte mich für verrückt gehalten, manchmal ging es über eine Stunde, in der ich, wie es andere nennen würden, Selbstgespräche geführt habe. Aber es tat, gut, er sagte nie was, hörte sie alles an, ein geduldsamer Hörer. Man musste nicht diskutieren. Die Familie der Versammlung, Gottes Kinder waren alle bei mir, in Gedanken, oder mit Einladungen die ich bekam, ich war nicht alleine, das bekam ich zu spüren es war sehr schön. Mit einer sehr guten Freundin hielt ich regen E-Mail Kontakt, das schönste daran ist, wenn sie antwortet, schreibt sie nicht nur, sonder gibt Bibelverse an, die man selber lesen soll. So bleibt man immer dabei, die Bibel zu lesen. Ich sage manchmal auch zu ihr, meine wandelnde Bibel. Es kommt mir vor, als kennt sie die Bibel auswendig. Bei einer Mail, schrieb sie mal was von der Herr ist dein Hirte in den Psalmen, ich schlug nach, begann zu lesen und fande dieses, was zu meiner Situation passte. Psalm 91,1-16
Unter Gottes Schutz
Wer unter dem Schutz des Höchsten wohnt, der kann bei ihm, dem Allmächtigen, Ruhe finden. Auch ich sage zu Gott, dem Herrn: "Bei dir finde ich Zuflucht, du schützt mich wie eine Burg! Mein Gott, dir vertraue ich!" Er bewahrt dich vor versteckten Gefahren und vor tödlicher Krankheit. Er wird dich behüten wie eine Henne, die ihre Küken unter die Flügel nimmt. Seine Treue schützt dich wie ein starker Schild. Du brauchst keine Angst zu haben vor den Gefahren der Nacht oder den heimtückischen Angriffen bei Tag. Selbst vor der Pest, die im Dunkeln zuschlägt, oder dem tödlichen Fieber, das am hellen Tag die Menschen befällt, fürchtest du dich nicht. Wenn tausend neben dir tot umfallen, ja, wenn zehntausend in deiner Nähe sterben - dich selbst trifft es nicht! Mit eigenen Augen wirst du sehen, wie Gott es denen heimzahlt, die ihn missachten. Du aber darfst sagen: "Beim Herrn bin ich geborgen!" Ja, bei Gott, dem Höchsten, hast du Heimat gefunden. Darum wird dir nichts Böses zustoßen, kein Unglück wird dein Haus erreichen. Denn Gott hat seine Engel ausgesandt, damit sie dich schützen, wohin du auch gehst. Sie werden dich auf Händen tragen, und du wirst dich nicht einmal an einem Stein verletzen! Löwen werden dir nichts anhaben, auf Schlangen kannst du treten. Gott sagt:1 "Er liebt mich von ganzem Herzen, darum will ich ihn retten. Ich werde ihn schützen, weil er mich kennt und ehrt. Wenn er zu mir ruft, antworte ich ihm. Wenn er keinen Ausweg mehr weiß, bin ich bei ihm. Ich will ihn befreien und zu Ehren bringen. Bei mir findet er die Hilfe, die er braucht; ich gebe ihm ein erfülltes und langes Leben!"
So sollte es auch bei mir sein, ich vertraue unserem Vater, in seinen Händen will ich mich begeben. Er wird mich behütet und wird mich führen, durch jeden schweren Kampf begleiten. Es tat gut so was zu wissen, das man nicht alleine ist, alles wird leichter, wenn man die Last nicht alleine tragen muss.
Die zeit ohne meine Familie, begann zu nutzen , drüber nachzudenken, was nun ist, was nun wird. Chemo- oder keine Chemo-? Ich begann unseren Vater zu fragen, was er meinte, er solle mir das in den Mund legen, mir den ersten Gedanken geben. Ich fragte ihn öfters, in Zeiten wo es mir gut ging, in Zeiten in denen es mir schlecht ging, nur um sicher zu gehen, das, das erste Gefühl immer dasselbe ist, egal wie es mir ging. Jedes Mal war der erste Gedanke, höre auf du bist nicht alleine. Die Gedanken waren immer die ersten und immer die gleichen, er gab mir ein Zeichen, unser Vater gab mir die Gedanken. Ich hörte, legte mein Leben vollkommen in seine Hände, er soll entscheiden was nun wird. Man kann es nicht bestimmen wann es zu ende sein wird, er hat unser Leben in seiner hand, er kann den Termin ändern wir nicht, wir können ihn nicht streichen von unserem terminplaner und verlegen, dieser Termin steht schon mit der Geburt fest, wann er uns ruft. Ich fing an die zeit zu genießen, dachte nicht mehr an das schlimmste was passieren, groß die Ruhe, zog mich von meinen Geschwistern zurück, die Mittagsstunde besuchte ich wenig, und persönlichen Kontakt versuchte ich zu vermeiden, ich zog mich in die Stille zurück. Als ich dann meine Meinung meinem Onkologen mitteilte, und es meinen Geschwistern mittels eines Rundbriefes per E-Mail mitgeteilt hatte, war es erstmal mir der Ruhe vorbei, das Telefon ging öfters. Mit Ruhe war es erstmal vorbei. Ich begann wieder nachzudenken, ob diese Entscheidung richtig war. In dieser Phase, habe ich mich von meinen Kindern verabschiedet, schriftlich. Habe ihnen liebe Zeilen per hand geschrieben, damit sie noch was persönliches von mir haben. Aber ich redete mit unserem Vater, das es die Kinder in den nächsten Jahren bitte nicht zu lesen brauchen, ich war noch nicht bereit. Wenn man abends alleine hier zuhause sitzt, alles ruhig ist, wird es einem schon richtig komisch. Früher habe ich dies Einsamkeit mit Alkohol bekämpft, habe mir sinnlos die Birne zugeknallt und schlafen zu können. Habe sinnlos durch das Programm geschaltet. Aber jetzt? Seid dem ich eine Familie habe, ist mein Leben anders verlaufen, auch wenn ich keine Rücksicht nahm, auf meine Frau und Kinder, aber sinnloses Besaufen gab es nicht mehr. So saß ich manchmal abends in der Wohnung, und lauschte der Stille. Es kam oft vor, das ich es stundenlang tat, ohne Fernseher, es war mir nicht bewusst, das ich nichts tat. Ich fing an zu lesen, die Bibel, begann nachzudenken. Meine Frau rief öfters abends mal an um zu reden, zu sprechen was sie so gemacht haben, ich versuchte sie schnell wieder loszuwerden, ich konnte es nicht. Es kam mir vor, als würde einer mir einen Pfeil in das herz rammen, und darin rumrühren, es tat so weh ihre Stimme zu hören. Den einen morgen kam ein Ruck durch mir, und ich fing an die Wohnung zu putzen, obwohl es viel nicht gab, was ich zu putzen hatte, lebte meistens nur im Wohnzimmer und gegessen habe ich wenig, hatte keine Lust, was zu machen. Wenn ich Hunger hatte, nahm ich das Angebot eines Geschwisters an. Dabei fühlte ich mich nicht wohl, den es lag ja eigentlich nur an meiner Faulheit mir selbst was zu machen, hatte ein Gefühl in mir, als würde ich die Hilfsbereitschaft ausnutzen. Nach dem Essen folgten noch schöne Gespräche, fragen über die Bibel wurden beantwortet. Ich merkte das man überall willkommen ist, man ist nicht mehr alleine. Die letzte Woche bevor meine Frau wiederkommen sollte, brauchte ich mal totale Ruhe, über eine Rundmail teilte ich es mit, das ich eine Woche auf dem Campingplatz fahre, nur ich mein Handy für meine Frau und meine Bibel, einfach nur Ruhe, kein Telefon was gehen könnte, kein Pc den man schon automatisch morgens anmacht, einfach totale Ruhe. Ich sehnte die Zeit herbei, wenn meine Frau anrief, konnte es kaum mehr ertragen sie mal nicht zu hören, ich freute mich auf den Tag wo wir uns wieder in Arme nehmen konnten. Verlustangst, wie zum Anfang der Kur hatte ich nicht mehr, ich habe alles zur Chefsache erklärt, er behütet uns, und auch was passiert, er sorgt, das wir nicht alleine sind, er schickt seine Kinder los, die uns unterstützen. Die zeit verging überhaupt nicht mehr, die tage zogen sich in die Länge, wurden gefühlsmäßig immer länger, aber ich wusste der tag ist bald da, wie ein kleines Kind sich auf Weihnachten freut, so freute ich mich auf meine Familie. Der Tag war da, und die zeit verging gar nicht mehr, wir waren in Dortmund angekommen, und sie war noch nicht da, wir mussten warten. Das schlimmste überhaupt, warten auf die Ankunft, der Familie. Ich war unendlich froh, als ich sie in die Arme nahm. So stelle ich mir das auch vor, das man so herzlich von unserem Vater empfangen wird, wenn er uns ruft, den er wartet nicht nur vier Wochen auf, sondern Jahre, Jahrzehnte. Solange würde ich es nicht aushalten auf meine Kinder zu warten. Gott ist geduldig, sehr geduldig. Das habe ich gemerkt, egal was wir anstellen, er hat geduld, und wenn wir zurück auf seinen Wege finden, vergisst er alles, und nimmt uns in die Arme als wäre nie was passiert.
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